Paget-Krankheit – Morbus Paget

 Lesedauer: 12 min

by Roland Späht | 02.06.2018


Morbus Paget: Wenn die Knochen sich verformen

Vor allem ältere Meschen sind von Morbus Paget betroffen. Häufig wird sie erst ab einem Alter von 55 Jahren diagnostiziert. Dabei findet ein unkontrollierter Knochenumbau statt, der zu Verformungen des Skelettsystems führt. An der Wirbelsäule äußert sich das durch die Bildung eines Rundrückens. Medikamentös und durch eine Kalzium und Vitamin D reiche Ernährung ist die Erkrankung gut behandelbar.


Was ist Morbus Paget?

Morbus Paget ist eine chronische Erkrankung des Skelettsystems, sie tritt im Normalfall ab einem Alter von 55 Jahren auf und ist die zweithäufigste Knochenerkrankung nach der Osteoporose. Im medizinischen Kontext wird sie auch Osteitis deformans oder Osteodystrophia deformans bezeichnet.

Dabei findet eine Art Knochenumbau statt, bei Beginn der Krankheit wird durch eine gesteigerte Aktivität der Osteoklasten Knochengewebe abgebaut und anschließend unkontrolliert wieder aufgebaut. In Folge dieses Prozesses kommt es zu Verdickungen an den Wirbelkörpern und es entsteht ein Rundrücken (Hyperkyphose).

Überwiegend ist die Krankheit in der westlichen Welt diagnostiziert, in Westeuropa sind 5% der Männer und 8% der Frauen ab dem 80. Lebensjahr betroffen. Ca. 15% der Fälle sind genetisch bedingt und es sind bereits familiäre Auffälligkeiten vorhanden. Des Weiteren wird vermutet, dass Morbus Paget durch eine Virusinfektion hervorgerufen werden kann z. B. durch Masern.


Symptome & Ursachen

Morbus Paget verläuft meist symptomlos und wird per Zufall entdeckt. Lediglich 10% der Betroffenen leiden unter Schmerzen.

Leitsymptome

Zu Beginn der Erkrankung entsteht ein entzündlicher Prozess der zu diesem Zeitpunkt zu Schmerzen führt.

  • Knochen-, Gelenk- und Muskelschmerzen (Rücken, Brustkorb, Beine)
  • Erwärmte Hautareale an den betroffenen Stellen durch Bildung neuer Blutgefäße

Nach dem Rückgang der Entzündung bleiben unregelmäßige Verdickungen an den betroffen Stellen, oft sind deformierte Knochen das Ergebnis. Dies kann zu einer Instabilität der Knochen führen und somit schnell zu Knochenbrüchen, die nicht durch einen Unfall oder eine Verletzung hinreichend erklärt werden können. Der Mediziner spricht dabei von "pathologischen Frakturen ohne adäquates Trauma".

Das äußert sich in

  • einem Rundrücken
  • einem gewölbten Brustkorb,
  • eine Krümmung der Beine ("Säbelscheiden-Schienbein") oder,
  • Vergrößerung des Kopfumfangs

Durch die Fehlstellung kommt es zu Muskelverspannungen und der Bildung von Triggerpunkten.

Leitsymptome
  • Durch Verformungen der Knochen kommt es zu Fehlstellungen. Diese versucht die Muskulatur auszugleichen was im Normalfall zu einer Überbeanspruchung führt, was Verspannungs- und Krampfzustände mit sich bringt und somit Schmerzen.
  • Bildung von Krampfadern
  • Bei Verdickungen im Lendenwirbelbereich kann es zu Nervenquetschungen durch eine Wirbelkanalverengung kommen (Spinalkanalstenose)
  • Schwerhörigkeit, falls Knochen im Bereich des Kopfes betroffen sind
  • Druck auf Hirnbereiche und Nerven des Kopfes
  • Nierensteine durch das vermehrte ausscheiden von Kalzium
  • durch die verstärkte Knochendurchblutung kann es zur Herzinsuffizienz kommen, da das Herz Schwierigkeiten hat die benötigte Blutmenge zu fördern
  • in unter 1% der Fälle kann es durch die Überaktivität der Osteoblasten zur Ausbildung eines Osteosakroms kommen

Ursachen

Wie bereits weiter oben erwähnt sind die Ursachen für den Ausbruch der Krankheit nicht vollständig geklärt.

Um zu verstehen was bei Ausbruch der Erkrankung passiert, ist es wichtig zu wissen dass im Körper ein ständiger Knochenumbau stattfindet, um wechselnden Beanspruchungen auf das Skelettsystem gerecht zu werden. Hierfür sind die Osteoklasten (Knochenabbau) und Osteoblasten (Knochenaufbau) zuständig, der Auf- und Abbauprozess ist koordiniert und im Gleichgewicht.

Bei Patienten sind an den betroffenen Knochenbereichen sogenannte Riesenosteoklasten zu finden, die um den Faktor fünf bei der Anzahl der Zellkerne vergrößert sind. Somit findet ein beschleunigter Knochenabbau statt.

Durch Riesenosteoklasten wird bei Morbus Paget der Knochenabbau beschleunigt

Bei Patienten sind an den betroffenen Knochenbereichen sogenannte Riesenosteoklasten zu finden. Somit findet ein beschleunigter Knochenabbau statt, den der Körper versucht wieder auszugleichen. Jedoch ist diese gebildete Knochensubstanz arm an Knochenkalksalz und somit spröde, was sie leicht brechen lässt.

Man geht davon aus, dass ein Teil (15%) einer erblichen Komponente zugeschrieben werden kann. Dies begründet sich mit der Mutation des Gens SQSTM1 was bei ca. 40% - 50% der Morbus Paget-Patienten mit einem familiären Hintergrund auftritt. Im Speziellen ist hier das Protein p62 betroffen, welches für die Regulierung der Osteoklasten wichtig ist.

Als weitere Ursache wird eine Slow-Virus-Infektion mit Paramoxyviren (z.B. Masern) vermutet. Begründet wird dies seitens der Experten mit Einschlüssen in den Zellkernen der Riesenosteoklasten, die die Form solcher Viren haben.


Diagnose

Anamnese

In erster Linie sollte die Krankengeschichte (Anamnese) des Patienten aufgenommen werden. Hier kann der untersuchende Arzt bereits durch markante genannte Merkmale

  • Knochen-, Gelenk- und Muskelschmerzen (Rücken, Brustkorb, Beine)
  • Erwärmte Hautareale an den betroffenen Stellen durch Bildung neuer Blutgefäße
  • deformierte Knochen und Brüche

der Erkrankung eine ungefähre Einschätzung treffen. Weiter Anzeichen findet Ihr im Kapitel Symptome.

Körperliche Untersuchung

Ebenfalls sollte eine körperliche Untersuchung durchgeführt werden. Eine Prüfung ob Fehlhaltungen, Deformitäten oder unnatürliche muskuläre Veränderungen vorhanden sind. Das Gangbild gibt Aufschluss über einen Befall der Beine oder einer Nervenkompression im Lendenwirbelbereich.

Neurologische Untersuchung

Eine neurologische Untersuchung der Arme und Beine sollte durchgeführt werden um eine Verengung im Wirbelkanal auszuschließen. Zusätzlich sollte eine Prüfung des Hörvermögens und der Seh- sowie Hirnnerven durchgeführt werden. Speziell das Hörvermögen verschlechtert sich bei 30% - 50% der Fälle durch eine Einengung des Hörnervs oder einer Schädigung der Gehörknöchelchen.

Radiologische Untersuchung

Das Mittel der Wahl um Morbus Paget zu diagnostizieren sind bildgebende Verfahren. Vor allem das Röntgenbild oder eine Knochenszintigraphie lassen sich Knochenauflösungen und -umbau gut ermitteln.

Auf dem Röntgenbild können die 3 Phasen von Morbus Paget ermittelt werden:

  1. Phase: Osteolyse - der Knochenabbau ist ersichtlich
  2. Phase: Das ist eine Mischung aus Bereichen in denen ein Abbau von Knochensubstanz stattfindet und Arealen wo verhärtete Knochensubstanz auffindbar ist (Osteosklerose)
  3. Phase: Deformierte, verdickte Knochen mit verminderter Knochendichte (ausgedünnte Trabekel)

Ebenso kann ein CT oder MRT durchgeführt werden um andere Erkrankungen wie Osteoporose oder Knochentumoren auszuschließen. Besonders zu empfehlen ist eine bildgebende Untersuchung, wenn einer Veränderung des Schädels erkannt wurde, weil Verformungen der Knochen Druck auf das Gehirn oder Nerven ausüben können.

Laboruntersuchung
Ist der Wert der alkalischen Phosphatse bei einer Blutuntersuchung erhöht deutet das auf einen erhöhten Knochenumbau hin.

Die Alkalische Phosphatase (AP) ist ein Enzym, das in den Knochenstoffwechsel involviert ist.

Eine Blutuntersuchung gibt bei einem erhöhten Wert des Enzyms alkalischen Phosphatase Aufschluss über eine erhöhte Aktivität der Osteoblasten.

Im Urin können "Crosslinks" nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um Querverbindungen zwischen Kollagen-Molekülen, die bei einem gesteigerten Knochenumsatz über die Nieren ausgeschieden werden.

Gemessen wird der Stoff Desoxypyridinolin. "Crosslinks" fallen bereits in sehr frühen Stadien an, so dass eine Urinuntersuchung der Früherkennung dienlich sein kann. Ebenso kann der Stoff Hydroxyprolin im Urin nachgewiesen werden.

Biopsie

Eine Knochenbiopsie (Entnahme einer Gewebeprobe) kann in einem Frühstadium sinnvoll sein um die Diagnose abzusichern. Des Weiteren kann ein Befall durch Knochenmetastasen ausgeschlossen werden.


Therapie

Bisphosphonate
Pamidronat ist ein in Deutschland zugelassenes Medikament der Gruppe der Bisphosphonate zur Behandlung von Morbus Paget

Molekühl von Pamidronat, ein in Deutschland zugelassenes Bisphosphonat

Bisphosphonate hemmen Osteoklasten und somit den Knochenabbau. Die Bisphosphonate verringern vor allem die Auftretenswahrscheinlichkeit von Knochenbrüchen. Bei der Einnahme müssen ein paar Hinweise beachtet werden:

Bisphosphonate sollten am Morgen mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück in stehender Haltung und mit viel Wasser eingenommen werden.

Der Abstand zum Frühstück ist wichtig, weil Bisphosphonate sonst Komplexe mit dem Kalzium aus der Nahrung bilden und nicht aufgenommen werden können.

Die aufrechte Position und das Nachspülen sollen verhindern, dass die Schleimhaut der Speiseröhre gereizt wird.

Calcitonin & Paracetamol

Calcitonin hemmt ähnlich wie Bisphosphonate die Knochen-abbauenden Osteoklasten. Es kann gespritzt oder über die Nase in Form eines Sprays verabreicht werden. Nebenwirkungen wie Hautrötungen sowie Übelkeit und Erbrechen sind jedoch sehr häufig.Um auftretende Schmerzen zu behandeln, ist Paracetamol am geeignetsten.

Chirurgische Eingriffe

Operationen sind meist dann notwendig, wenn schwere Knochenbrüche (Oberschnenkelhals) oder Arthrosen im Knie- oder Hüftgelenk vorliegen. Bei einer Wirbelkanalverengung (spinale Stenose) die zu neurologischen Ausfallerscheinungen (Lähmungen), aufgrund gequetschter Nerven führen, ist ein Eingriff dringend anzuraten.

Alternative Behandlungsmethoden
Einnahme von Kalzium und Vitamin D

Vitamin D3 steigert die Aufnahme von Kalzium im Darm und reduziert die Ausscheidung über die Nieren. Zusätzlich ist es notwendig, damit Kalzium in den Knochen eingebaut werden kann.

Daher ist die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit aktiviertem Vitamin D3, oft kombiniert mit Kalzium, eine gute Option. Allerdings ist Vorsicht anzuraten, da es sich bei Vitamin D um ein fettlösliches Vitamin handelt, das im Körper gespeichert werden kann - im Gegensatz zu wasserlöslichen Vitaminen, die einfach ausgeschieden werden, wenn sie im Überfluss vorhanden sind. Die Dosis sollte darum mit dem behandelnden Arzt vorher besprochen werden.

Die Zuführung sollte dann innerhalb von zwei Stunden nach der Einnahme der Bisphosphonate erfolgen. In Kombination mit einer Heliotherapie kann die Aufnahme von Vitamin D verbessert werden.

Physikalische Maßnahmen zur Schmerzlinderung

Krankengymnastik, Elektro- und Balneotherapie (Behandlung durch Heilbäder) können schmerzlindernd wirken. Ebenso sind Maßnahmen zur Muskelentspannung geeignet um Schmerzen aufgrund muskulärer Probleme zu lindern.

Hier kann die fernöstliche Medizin tolle Unterstützung in Form von Akupressur leisten. Dies muss nicht zwingend einen Besuch beim Therapeuten beinhalten. Mittlerweile gibt es Möglichkeiten einer Selbsttherapie. Eine Akupressurmatte und Gitterpflaster können ganz einfach zu Hause eingesetzt werden und das täglich.

Auch die progressive Muskelentspannung nach Jacobson ist einfach, schnell und überall anwendbar. Mit etwas Übung versetzt man seinen Körper und Geist innerhalb von wenigen Minuten in eine Tiefenentspannung, die sämtliche Anspannungen im Körper löst.

Leiden Betroffene an Verspannungen im Bereich des Nackens und Halses empfiehlt sich zusätzlich der Einsatz eines orthopädischen Schlafkissens. Dabei ist eine hohe Stützkraft notwendig, damit der Kopf die ganze Nacht über gut gestützt wird.

Vorbeugende Maßnahmen

Um Knochenbrüche zu verhindern sollte diesbezüglich die Sturzgefahr verringert werden. Der Arzt kann müde machende Medikamente absetzen oder andere Arzneimittel alternativ verschreiben. Gegebenenfalls ist der Einsatz von Gehhilfen wie Stock oder Rollator empfehlenswert.

Wichtig!

Neben der medikamentösen Behandlung zur Verringerung des Knochenumbaus und invasiven Eingriffen ist die Aufnahme von Kalzium und Vitamin D wichtig. Nahrungsergänzungsmittel können helfen um eine ausreichende Versorgung sicher zu stellen. Zur Schmerzlinderung sind neben Paracetamol auch Maßnahmen zur Muskelentspannung und Krankengymnastik wirkungsvoll.


Zusammenfassung

Morbus Paget ist eine chronische Erkrankung des Skelettsystems, sie tritt im Normalfall erst ab einem Alter von 55 Jahren auf. Die vermuteten Ursachen sind erblich bedingt oder eine Virusinfektion. Dies mündet in einen unkontrollierten Knochenumbau, die Derformierungen des Skelettsystems mit sich bringt.

Die sicherste Diagnosemöglichkeit ist die Röntgenaufnahme, wo solche Auf- und Abbauprozesse gut zu erkennen sind. Leider ist eine frühzeitige Erkennung der Erkrankung eher Zufall.

Durch Bisphosphonate (Medikamente) wird der verstärkte Knochenabbau verringert was einen chaotischen Aufbauprozess von Knochensubstanz vermeidet. Zudem sind auftretende Schmerzen durch diverse konservative Behandlungsmethoden therapierbar.

Der Verlauf der Erkrankung ist abhängig vom Zeitpunkt der Erkennung und der Ausprägung. Er sollte in Abständen von sechs Monaten durch Laboruntersuchungen und Röntgenaufnahmen kontrolliert werden. Die Prognose bei Morbus Paget ist im Allgemeinen gut und eine Verkürzung der Lebenserwartung ist nahezu ausgeschlossen. 


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